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Der Hering Lyrics


Georg Kreisler Der Hering




Wenn ich an Hering hätte jede Früh um sieben
In einer weißen und sehr dicken sauren Soß
Und dann zu Mittag einen großen Teller Grieben
Vielleicht zum Nachtisch eine süße Aprikos –
Dann gegen drei ein Stickchen Kuchen, so mit Crème
Dazu natürlich einen duftenden Kaffee!
Dann wär mir abends schon egal, was ich bekäme –
Denn wissen Sie, was in dem Fall mit mir geschäh?

Der Herr Direktor wär für mich a Engel –
Er wär nicht fähig einer Schweinerei!
Die Frau Direktor hatte keine Mängel!
Mit dem Hering in der Früh
Und dem übrigen Menü
Wär'n die achtzehn Stunden Arbeit schnell vorbei!
Auch rings um mich hätt niemand was zu leiden –
Die ganze Welt wär eingetaucht in Blau!
Selbst meine Frau wär sittsam und bescheiden!
Wenn ich abends dann im Bett
Noch an zweiten Hering hätt
Wär ich effektiv verliebt in meine Frau!

Mein Nachbar Meyer wär nicht so gehässig –
Und wenn er's doch wär, träfe ihn der Schlag!
Und auch der Schneider mahnte mich nicht unablässig
Wegen diesem winzigen Betrag – jeden zweiten Tag!
Und unsre Kinder hätten rote Wangen
Weil's prinzipiell nur schönes Wetter gäb!
Auf den Himmel wär Verlass
Selbst der Regen wär nicht nass –
Kurz und gut, ich wüsste nicht, warum ich leb!

Da fällt mir ein, zum Hering passt noch eine Zwiebel
Und zu den Grieben eine Semmel, warm und frisch!
Nur auf den Kuchen könnt' es sein, es wird mir iebel –
Da ess ich lieber zum Kaffee a Stückel Fisch!
Und für den Abend macht mir dann mein braves Mädel
An Teller Kutteln und darauf ein weiches Ei
Und auf an zweiten Teller wünsch ich mir an Knödel –
Und weil ich schon beim Wünschen bin, wünsch ich mir zwei!

Und die Fabrik würd hängen voller Geigen –
Ich käm zur Arbeit frohgemut und prompt
Und würde überall mein Können zeigen
Wie ich flink und gründlich schaff –
Erst zu Mittag würd' ich schlaff
Weil ich wüsst, dass bald das Mittagessen kommt!
Und weil mir alles andere egal wär
Hätt ich die größte Freud an meiner Freud
Und würde denken, dass das ganz normal wär –
Weiß wär schwarz und schwarz wär weiß
Im Dezember wär mir heiss
Und die Menschen wär'n so liebenswerte Leut!

Ich würde tanzen – wenn ich es noch könnte
Und könnt ich's nicht, no, dann würde ich's probiern!
Wer mich bestiehlt, der kriegt von mir Prozente
Er soll sich bitte nicht geniern –
Ich würd's gar nicht spürn!

Mein Leben fließt, dem größten Fluss zum Trotze
Es plätschert sanft und doch bin ich ein Mann!
Jeder Tag bringt neues Licht –
Bringt er's nicht, so bringt er's nicht –
Und man gleitet und man schaukelt
Und man schüttelt sich und kratzt sich
Und man lächelt seinen Bauch im Dunkeln an
Nicht zu glauben, was ein Hering alles kann!



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